Sonntag, 5. November 2017

Zwischenbericht Nr. 27

Der November hat angefangen und es ist mal wieder Zeit für einen Zwischenbericht. Meine Operation habe ich sehr gut überstanden. Ich hatte euch bereits erzählt, dass ich eine tierische Angst vor der OP hatte und wollte am liebsten eine Woche schon vorspulen. Zuerst kam allerdings am Mittwoch der übliche Papierkram und die Untersuchungen. Normalerweise sollte ich zu einem Kardiologen, der aber im Urlaub war. Zum Glück hat das Krankenhaus dann ihre eigene Kardiologin zu Rate gezogen. Blutnahmen, EKG, Sonografie, Gespräche, Fragebögen… halt das Übliche. Ich hatte ein tolles Gespräch mit der Kardiologin, die mir meine Ängste etwas abmildern konnte. Es sollte aber nicht alles so friedlich bleiben… wisst ihr, wenn man Krebs bekommt, ist eines ganz gewiss - man verbringt ungemein viel Zeit in Krankenhäusern. In dieser Zeit trifft man auf die unterschiedlichsten Leute. Einige sind sehr nett, andere nimmt man kaum war und dann gibt es die Ungeduldigen, die einem durch ihr Verhalten ewig im Gedächtnis bleiben…

Ich muss schon immer dezent lachen, wenn Leute sich beschweren, dass sie seit über einer Stunde schon warten und man selbst seit knappen sechs Stunden da sitzt mit der berechtigten Angst auf dem Plastikstuhl festgewachsen zu sein. Versteht mich nicht falsch, ich kenne es nur zu gut, wenn einem nach den vielen Chemos so schlecht ist, dass man sich kaum auf den Beinen halten kann - da ist eine Stunde Warten die reinste Hölle. Ich weiß auch wie es ist mit einer frischen Narbe keine 24 Stunden nach der OP mehrere Stunden im Wartezimmer zu verbringen oder Folgetermine einhalten zu müssen. Aber sich einfach wissentlich vorzudrängeln - echt die Pest!

Aber fangen wir von Vorne an. Wie gesagt, wartete ich mit meiner Mama bereits mehrere Stunden im Krankenhaus und es traten zwei ältere Damen in Erscheinung. Sie meckerten schon bevor sie sich überhaupt hingesetzt hatten, aber das ist gar nicht der Punkt. Der Arzt kam aus seinem Zimmer und fragte wer denn als nächsten dran wäre bzw. wer schon am längsten wartet. Die Damen stürmten auf den Arzt zu, lautstark meckernd, dass sie schon über eine Stunde warteten. Ich war ganz erschrocken vor so viel Dreistigkeit. Etwas überrumpelt reagierte der Arzt allerdings vorbildlich, stellte die Damen zu Rede und verwies sie wieder auf ihre Plätze. Vordrängeln geht hier nicht.

Komischerweise hatte ich in dieser ganzen Zeit mit dieser Diagnose schon einige Situationen mit unangenehmen Leuten, die meistens das Rentenalter erreicht hatten. Versteht mich nicht falsch, ich möchte nicht über ältere Herrschaften hetzen, denn ich erinnere nur zu gerne an Frau Bohne, die meine liebste Zimmergenossin war. Dennoch kann ich euch nur schildern, was ich so erlebt habe. Wartebereiche sind nicht immer mit genügend Stühlen oder Bänken ausgestattet und so kann es dazu kommen, dass Wartende auch mal stehen müssen.

Kein Problem bin ja jung… sieht nach über zehn Chemos, Thrombose und Lungenembolie allerdings anders aus. Niemals und ich wiederhole niemals ist ein Rentner für mich aufgestanden! Mit kahlem Kopf, bleich wie eine Leiche konnte man gut erkennen, dass ich tot krank war, aber nein wieso aufstehen, wenn die Krebskranke sich nicht auf den Beinen halten kann. Viele denken, dass wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, steht ihnen ein Sitzplatz zu, egal ob sie gesund sind. Ich erwarte nicht, dass Kranke für mich aufstehen, aber wenn Begleitpersonen wild durchs Krankenhaus hüpfen, aber aufgrund ihres Alters auf einen Sitzplatz bestehen, dann hört bei mir der Spaß auf. Jüngere Menschen sind fast immer aufgestanden, wenn sie gesehen haben, dass ich keinen Sitzplatz bekommen habe. Sollte man mal drüber nachdenken. Aber kommen wir nun zur OP.

Wie es bei OPs so üblich ist, musste ich bereits früh am morgen da sein und durfte nichts Trinken oder Essen. Ich muss dann nachts schon immer meine Wasserflasche wegstellen, denn ich trinke in der Nacht im Halbschlaf oft. Diesmal kam ich auf eine andere Station und wurde gefragt, ob ich männlich oder weiblich bin. Das hat mich echt ganz schön runtergezogen - klar, ich habe sehr kurze Haare, aber so eine Frage fand ich dann doch etwas beleidigend. Ich kam auf ein Dreierzimmer mit zwei Damen, die zwar älter als ich, aber immer noch jung waren. Und dann hieß es schon ausziehen und das schicke OP-Hemd an. Meine Kompressions-Strumpfhose durfte ich zum Glück anbehalten - mir graute schon davor die nach dem Eingriff wieder anklabustern zu müssen. Zuerst musste ich zum Röntgen, damit der Clip, der in das Tumorgewebe gesetzt wurde, lokalisiert werden konnte.

Das machte sogar alles der Chefarzt persönlich - er rief dann auch im OP an, dass er mich sofort operieren wollte. Ich denke, er hatte Angst, dass mein Panikanfall schlimmer wird, denn ich hatte wieder angefangen unkontrolliert zu zittern. Dann ging alles holterdiepolter und schwupps lag ich unten in der Schleuse. Immer wieder die gleichen Fragen - Auf was sind sie allergisch? Haben sie einen Port? Ich weiß noch, dass der Anästhesist mich nach meinem Lieblingsbuch gefragt hat und dann war ich auch schon weg.

Aufwachen war nicht so leicht. Ich hatte sehr viel Beruhigungsmittel intus, weil man dem Panikanfall abschwächen wollte und so trieb ich eine ganze Zeit zwischen wach und Schlaf hin und her. Ich war wohl über zwei Stunden im Aufwachraum. Im Zimmer habe ich mit meiner Mama gesprochen, aber wenn ich ehrlich bin, war ich da immer noch nicht richtig wach. Wir verabschiedeten uns und ich schlief wieder ein. Um halb fünf wachte ich wieder auf und stellte fest, dass ich mit einer neuen Zimmergenossin auf dem Zimmer lag. Nennen wir sie Jana - sie wurde direkt nach mir operiert und war nur ein par Jahre älter als ich.

Nachdem ich doch noch etwas zu Essen bekommen habe - die Schwester war dezent überfordert damit, dass ich kein Fleisch esse, las ich etwas. Ich habe ja ein paar Bilder auf Instagram aus dem Krankenhaus gepostet. Nicht viel geschlafen - Harry Potter lesen und abwarten. Zum Glück habe ich mir einen alten MP3-Player gekauft, auf dem ich Hörbücher geladen hatte. Ihr kennt mich, ein Drachenblut lässt sich nicht unterkriegen - folglich wurde ich am nächsten Tag entlassen.

Gute Nachrichten habe ich dann aber doch noch. Am Donnerstag war ich dann zur Nachbesprechung - der Tumor konnte komplett entfernt werden! Heißt soviel, wie ich habe keinen Krebs mehr in mir! Ist das nicht toll! Nun stehen eventuell noch fünf Chemos an und Bestrahlung - und Medikamentenumstellung. Aber da sprechen wir das nächste Mal drüber! Gehabt euch wohl! Ich spiel jetzt noch ein bisschen Witcher 3…