Schon lange habe ich keinen Zwischenbericht mehr geschrieben, ich gebe es zu. Aber so wirklich hatte ich auch nichts zu erzählen. Mittlerweile habe ich schon einige Wochen hinter mich gebracht, was die neuen Chemos angeht. Die Nebenwirkungen sind doof, aber halt nicht zu ändern. Ich hab Schmerzen und freue mich immer, wenn ich nicht meinen Wecker klingeln höre, der mir wieder mitteilt, wann ich meine Tabletten nehmen muss. Diese Freiwoche ist immer eine Erleichterung. Da irgendwie meine Psychopillen gegen Ängste nicht mehr gewirkt haben, ob nun wegen der anderen Medikamente oder aus einem unbekannten Grund, habe ich sie seit über zwei Wochen abgesetzt. Meine Ängste haben zwar zugelegt, welches zu erwarten war, aber ich bin ansonsten erstaunlich stabil. Wie die eine Krankheit die andere doch positiv beeinflussen kann, ist erstaunlich. Versteht mich nicht falsch, ich lebe immer noch rund um die Uhr mit Ängsten, aber irgendwann gewöhnt man sich an die Monster auf seiner Schulter und bietet ihnen sogar Tee an…
Trotzdem vermiese ich mir schon wieder Dinge, die eigentlich wundervoll sein sollten mit meinen fiesen Gedanken. Dieses Jahr bin ich auf der Gamescom und zwar am Samstag. Ich freue mich schon wie wahnsinnig drauf, trotzdem habe ich Angst. Ich habe keine Angst vor den Menschenmengen oder ob ich das schaffen kann, den ganzen Tag auf der Messe herumzulaufen. Das passt schon alles. Wovor ich wirklich Angst habe, sind die Reaktionen auf mich. Ich fühle mich momentan nicht wohl in meiner Haut. Ich bin zu fett, meine Haare sind zu kurz und ich bin alles andere als fit, stark und gesund. Vor meiner Erkrankung war alles in bester Ordnung und ich wusste es damals nicht zu schätzen. Konnte mich immer noch dafür verfluchen.
Ich arbeite dran - die Haare wachsen wieder, wenn auch nicht so schnell, wie ich es gerne hätte und ich habe schon über zehn Kilo abgenommen. Meine Brust wächst nicht wieder automatisch und ich habe mich dagegen entschieden eine Prothese zu tragen, was zugegeben asymmetrisch aussieht. Jetzt habe ich Angst, dass ihr mich auf der Gamescom seht und einen Schock bekommt. Bei mir im Kopf schwirren Gedanken herum wie "Warum sollte man sich mit mir abgeben wollen?". Ich will keine Stereotypen bedienen und die lustige Dicke oder der fette Gamer sein. Ich will gesund und schön sein.
Das ist alles ziemlich oberflächlich und ich betrachte mich selbst nur so kritisch, während ich dies bei anderen Menschen überhaupt nicht tue. Es ist halt immer die Angst da, nicht genug zu sein. Warum kann ich mir selbst gegenüber nicht so nachsichtig und aufgeschlossen sein, wie anderen gegenüber? Ich weiß es nicht. Ich bin so verdammt unsicher und ich hasse das.
Warum schreibe ich so etwas Negatives überhaupt auf? Vielleicht ist das eine Sache der Selbsttherapie, vielleicht möchte ich auch nur zeigen, dass jeder mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat. Wichtig ist, dass ihr nicht allein seid und nicht aufgeben dürft. Lasst euch nicht unterkriegen von solchen Gedanken und wenn ihr mich auf der Gamescom seht, dann sagt doch Hallo. Ich freu mich wirklich darüber.