Mittwoch, 20. Juli 2016

Pokemon Go

Pokemon Go ist seit seinem Release in aller Munde und sogar Websites und Zeitschriften, die sonst gar nichts mit dem Medium der Videospiele zu tun haben, berichten über diese App. Ein Phänomen sondergleichen, welches zwar heiß erwartet wurde, aber auch für einigen Wirbel mit heftiger Kritik sorgt. Davon sind viele Kritikpunkte, besonders die des Datenschutzes und der Sicherheit durchaus berechtigt. Andere wiederum sind vor allem für mich persönlich absolut lächerlich und einfach nicht stichhaltig. In diesem Beitrag knöpfe ich mir ein paar der Punkte vor und erläutere sie, mal mehr mal weniger gut um mir eine Meinung bilden zu können und einiges reflektieren zu können. Gerade die letzten Tage habe ich viel über Pokemon Go nachgedacht - musste ich, denn spielen ist mit meinem langsamen Internet nicht wirklich möglich. Also los geht es mit der Auseinandersetzung…

Der größte Kritikpunkt schlechthin ist das Gebaren eines Zombies mit Smartphone, der anteilnahmslos durch seine Nachbarschaft streift. Die Schönheit der Umgebung wird nicht wahrgenommen und die Gegend ist nur bekannt durch die Kamera des mobilen Gerätes. Bei dieser Beobachtung frage ich mich wirklich, wie viele Jahre man hinter einer Hecke pennen muss, um dieses Verhalten als eine Neuheit anzusehen. Versteht mich nicht falsch, ich hasse es, wenn Leute ihr Gesicht nicht von ihrem technischen Geräten - ja, ich meine damit alle Geräte - Smartphones, Tablets, Handhelds und Computer - loseisen können.

Machen wir eine kleine Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1998. Zu diesem Zeitpunkt besuchte meine Familie mit mir im Schlepptau einen weggezogenen Teil der Familie anlässlich des Geburtstages meines Cousins. Großes Wiedersehen, beste Laune und unter uns Kindern viel Spielspaß. Bis mein Cousin seine Geschenke auspackte. In einem der Geschenke befand sich ein nagelneuer Gameboy Color. Absolut alles war danach abgeschrieben. Selbst beim Kuchenessen sah er niemals vom Display auf und reagierte auf keine Frage. Tja, und dafür reist man über drei Stunden an um einen abwesenden Cousin beim fahrigen Zerstückeln seines Kuchens zuzusehen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass er sich bei sämtlichen Spielen, egal ob Fangen oder Lego nicht beteiligt hat und anteilnahmslos in der Ecke saß.

Dies ist nicht das einzige Beispiel. Als die ersten Handys handlicher wurden und auch jeder Jugendliche oder angehende Jugendliche ein Handy besaß, ging das Phänomen weiter. Es wurde wie besessen Snake gespielt und die SMS flogen nur so hin und her. Andere Handhelds kamen natürlich auch auf den Markt, wie die PSP von Sony. Die Geräte wurden alle intelligenter und so entwickelten sich aus einem einfachem Handy ein Smartphone, welches einem Computer glich. Jeder hat bestimmt in seinem Bekanntenkreis ein oder mehrere Beispiele von Leuten, die ihr Smartphone niemals aus der Hand legen und zu einem Gespräch fast nicht mehr im Stande sind.

Bald gibt es die ersten Verkehrsunfälle wegen Pokemon Go wurde schon geschrien. Es gab auch schon massig Unfälle wegen Leuten, die einfach nur auf ihr Smartphone geschaut haben ungeachtet der App, die sie benutzt haben. In ein paar Städten wurden zu Testzwecken Bodenampeln für Smartphone-Benutzer installiert. Das Problem gibt es also nicht erst seit gestern.

Persönlich dürfte ich als Kind zwar unseren Heimcomputer benutzen, aber einen Gameboy habe ich nur bei Freunden in die Hand bekommen. Ich fragte aufgrund dieses Artikels meine Eltern, warum ich eigentlich kein Gameboy hatte. Meine Mama beantwortete die Frage sehr ehrlich, in dem sie äußerte, dass sie Angst hatte, dass ich auch nicht ansprechbar vor solch einem Handheld hänge. Gab ja genug Negativ-Beispiele.
Die Mutter meiner besten Freundin aus Kindertagen hatte da eine unglaublich effektive Taktik. Bedingt durch eine ältere Schwester hatte meine Freundin zwei Gameboys, von denen sie mir oft einen lieh. Sprachen wir jedoch nicht miteinander beim Spielen oder beantworteten eine Frage nicht unverzüglich, waren die Spielkonsolen weg. Dies galt übrigens auch für Handys - auch bei meinen Eltern.

Diese Fähigkeit hilft einem ungemein und ich möchte sie nicht missen. Es ist mir immer wieder eine Freude meine Freundin dabei zu beobachten, wie sie etwas auf ihrem Smartphone googelt und gleichzeitig mit mir das Gespräch normal weiterführt. Bei wichtigen Dingen gehören aber alle Geräte zur Seite gelegt. Diese Balance zu finden, ist verdammt wichtig. Leider können heute nicht viele Menschen Prioritäten setzten. Ob man das jetzt auf gesellschaftliche Normen, die Übersättigung und Reizüberflutung oder einen anderen Grund zuschiebt, ist gehupft wie gesprungen.

Ungesunde Haltung ist ebenfalls ein Argument, welches oft in Diskussionen angeführt wird. Da diese Haltung allgemein von Smartphones ausgelöst wird… Moment… wenn ich ein Buch in den Händen halte oder beim Häkeln, dann hat mein Nacken die gleiche Haltung. Außer natürlich ich halte mir besagte Gegenstände auf Augenhöhe direkt ins Gesicht, vorausgesetzt die Arme halten das lange aus. Lächerliches Argument in einem Zeitalter in dem eigentlich alles in einer falschen Haltung getan wird, was aber natürlich nicht die Folgen herunterspielen soll.

Viele Berichterstattungen sind, wie man es mittlerweile bei Games ja schon gewohnt ist, fehlerhaft. Pokemon ist keine neue Erfindung, dass brauche ich aber meinen werten Lesern wahrscheinlich nicht mitzuteilen. Wie viele inhaltliche Fehler ich in den letzten Tagen sowohl zu Pokemon, als auch zu Nintendo gelesen bzw. gehört habe, ist wirklich nicht mehr feierlich. Wie sehr wünsche ich mir informierte Journalisten!

Tun wir bitte nicht so, als ob Niantic Labs mit Pokemon Go etwas Innovatives und Neues erschaffen hat. Ingress, welches 2013 veröffentlicht wurde von ebendieser Firma, ist das Gleiche, bloß ohne den Markennamen und ausgereifteren Gameplay, aber das kommt vielleicht noch.

Normalerweise wurden Gamer, die Apps auf einem Smartphone spielen immer von der großen Gaming-Community belächelt und niemals als ihres Gleichen angesehen. Vielmehr wurden die Smartphone-Gamer auf die selbe Stufe mit Facebook-Farmern gestellt. Witze wurden gemacht und ganze Memes kreiert. "Ich bin voll der Gamer!" "Cool, was spielst du so?" "Candy-Crush!" Ich selbst gehöre zu den Leuten, die sogenannte Casual-Gamer nicht ganz Ernst nehmen. Aber ich arbeite dran - Versprochen! Auf was ich eigentlich hinaus möchte, ist, dass Pokemon Go trotz des App-Status als das Ding in der Gaming-Community gilt. Hardcore-Gamer spielen diese App und fühlen sich vielleicht in ihre Kindheit zurückversetzt. Pokemon-Trainer bleibt man halt sein Leben lang.

Trotzdem prallen die Fronten wieder aufeinander und es gibt Streit. Vorweg sei anzumerken, dass es in jedem Franchise und Hype Leute gibt, die es als erstes gut gefunden haben und sogar Pokemon noch vor ihrer Geburt, wahrscheinlich im Mutterleib, gespielt haben. Wenn Casual-Gamer und großgewordene Nintendo-Kinder zusammentreffen sollte es nicht zu einem bescheuerten Kräftemessen kommen. Der virtuelle Schwanzvergleich ist in der Gaming-Community allgemein stärker, als der Zusammenhalt, aber gerade Neulinge sollte man freudig begrüßen und ihnen bei Fragen zur Seite stehen. Vielleicht gelangt ja einer von der App zu den anderen Pokemon-Spielen… wer weiß?

Immer wenn sich Leute an etwas erfreuen, braucht man nicht lange auf die Idioten warten, die diese Freude zerstören wollen. Pokemon Go Spieler mit Steinen bewerfen als Facebook-Aktion, Eier, die von Einwohner auf Spieler geschmissen werden und die üblichen Hasskommentare, die Spielern dieser App den Tod wünschen. Zuzüglich den Rivalitäten zwischen den Spielern unterschiedlicher Teams. Muss das sein? Andererseits hört man auch von Spielern, die laut sind, herumpöbeln und Müll hinterlassen. Und nochmal muss das sein? Ein bisschen mehr Verständnis uns Rücksicht auf beiden Seiten wäre wirklich wünschenswert, aber wahrscheinlich ist meine Bitte diesbezüglich zu utopisch. Ein schönes Video dazu, habe ich bei Gamestar gefunden. Schaut mal rein.

Sicherheit ist ein maßgeblicher Punkt. Dies beziehe ich nun nicht mehr auf die schon besprochene Unachtsamkeit des Spielers, sondern auf andere Ereignisse. Überfälle auf Spieler soll es bereits gegeben haben, an Pokestops verkaufen zwielichtige Personen überteuerte Akkus und ein Spieler hat schon eine Leiche entdeckt. Normalerweise finden doch nur Pilzsammler und Jogger, vielleicht noch Geocacher Leichen, oder? Klar, sind das wieder Schreckensnachrichten, die nicht auf die breite Maße zutreffen, aber ein Funken Wahrheit ist ja dran. Da trauen sich ja sicherlich einige gar nicht mehr rauszugehen…

Rausgehen ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Viele loben die Tatsache, dass Spieler wieder rausgehen und sich draußen bewegen. Andere bemängeln dann wieder, dass man die Umwelt ja trotzdem nur durch sein Smartphone wahrnimmt und aus den falschen Gründen sich sportlich betätigt wird. Diese Argumentation kann ich wenigstens mal nachvollziehen, denn sie stimmt zum größten Teil. Eine bestimmte Kilometeranzahl zu laufen, weil man damit ein Ei ausbrütet oder eine Medaille freischaltet, sollte nicht die einzige Motivation sein.

Der Mensch an sich ist aber in den Jahren sehr bequem geworden. Das musste Nintendo schon vor Jahren merken, als sie versuchten mit Wii Fit den Spieler zu mehr Bewegung zu motivieren. Wenn es bewusst nicht klappt, dann wird es halt unterbewusst versucht. Vielleicht etwas verschenktes Potenzial. Ich glaube nämlich nicht, dass ein Großteil der Gamer ihr Smartphone wegen Pokemon Go zum Joggen mitnehmen. Entweder es wird bewusst gelaufen oder bewusst gespielt. Irgendwann möchte man schließlich auch einen Ausgleich zum Gaming haben. Also wird auf das Verschmelzen von Sport treiben und ein Videospiel erleben nicht viel Wert gelegt, oder?

Pokemon Go hat viele Schwächen. Für mich ist eine der größten die mobile Internetverbindung, die bei mir die App unspielbar macht. Auch mit Offline-Karten kann man in ländlichen Gegenden nicht viel reißen. Außerdem wisst ihr, wie ich schon in meiner Rezension zu Miitomo schrieb, dass ich es hasse, wenn die Apps zu viele Daten von mir verlangen. Mein komplettes Bewegungsprofil gehört definitiv dazu.

Für eine kostenlose App kann sie sich schon sehen lassen. Allerdings fehlt noch so einiges um diese App wirklich grandios zu machen. Eine Story kann man wohl nicht erwarten, wie bei allen Apps in dieser Richtung. Aber eine Tauschfunktion wäre nicht übel, obwohl damit vielleicht wieder Schindluder getrieben werden kann. Stabilere Server wären für den Anfang wohl wichtiger, als neue Features. Eine Langzeitmotivation sehe ich in Pokemon Go zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht.

Aber der Pokemon-Hype ist wieder erwacht und das im Jahr des 20. Geburtstages dieses Franchise. Die Pokemon-Kinder sind erwachsen geworden. Ich hoffe, dass es durch den Hype mehr Merchandise gibt und vielleicht mehr nette Spieler dazukommen.

Zum Schluss möchte ich eigentlich nur eines sagen, bitte begebt euch beim Pokemon Go spielen nicht in Gefahren, achtet auf einen gesunden und vernünftigen Umgang, wie bei allen Sachen/Medien und einen Maß an Rücksicht auf andere Personen. Passt auf euch auf bei der Pokemon-Jagd! :)