Sonntag, 26. März 2017

Zwischenbericht Nr. 11

Und wieder ist eine Woche um und so langsam habe ich auch die Schnauze voll… Mittlerweile habe ich sogar die Nummerierung der Krankenhäuser vergessen, weil wieder ein Neues dazugekommen ist. Bei diesem besagten Krankenhaus offenbarte sich mir ein Schauspiel, welches ich noch nie in diesem Ausmaße gesehen habe - Parkplatzsuche auf großem Niveau. So viele Parkplätze, aber noch viel mehr Autos, die sogar aus Verzweiflung einfach vor einer Ampel parkten. Nachdem dieser Wahnsinn überwunden war, ging es also Montag wieder in eine Nuklearmedizin-Abteilung. Hört sich unglaublich gefährlich an, aber wie der Doktor sagte, so gefährlich ist es nicht, schließlich trage er auch keine Rüstung. Man indizierte mir radioaktives Zeug, welches sich in meinen Lymphknoten festsetzten sollte, um diese dann unter einem Scanner besser sehen und Dienstag dann herausschneiden zu können…

Zweimal scannte man mich, welches mit einigen Problemen verbunden war, da ich dank der OP vom letzten Donnerstag immer noch nicht meinen Arm hochheben konnte. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir jedoch nicht die Schmerzen, sondern die Begegnung mit einem Krankenpfleger. Er erzählte mir, dass er mich so gut verstehen könnte, da er vor Jahren das ebenfalls durchmachen musste. Da sieht man mal wieder, dass man einem Menschen seine Geschichte nicht ansieht.

Dann kam der Dienstag… wusstet ihr, dass eine kleine Reisetasche Weekender heißt? Ich wusste es bis letzte Woche nicht. Also meinen neuen Weekender gepackt und vor den erste Sonnenstrahlen ins Krankenhaus gefahren. Zügig bekam ich mein Zimmer zugeteilt, welches ich mir mit zwei älteren Damen teilen sollte, von der eine entlassen werden sollte und die andere noch nicht einmal einen guten Morgen wünschte. Die eine Dame wurde tatsächlich entlassen, welches ich sehr bedauerte, da sie unglaublich nett war und mir alles über ihren Sohn erzählte, der sie gleich abholen würde.

Erst langes Warten und dann geht es mit lautem Gepolter los. Ich sollte eine umgangssprachlich genannte LMAA-Pille nehmen, die bei mir aber nicht anschlug, da dank meiner psychischen Erkrankung mein Körper diverse Erfahrungen mit dieser Art von Medikation schon durchlebt hat. Ich verabschiedete mich von meiner Mama und der lieben Dame und wurde mit meinem Bett Richtung OP geschoben. Pünktlich meldete sich meine Angstsstörung und ich bekam einen Panikanfall.

Zitternd lag ich nun auf meinem Bett, musste mich in einer Schleuse auf einen Stahltisch rollen und dem Arzt erklären, wie man die Medikamente schreibt, auf die ich allergisch reagiere. In einer anderen Schleuse sollte ich dann für die OP vorbereitet werden. Wenn ich so überlege, dann glaube ich, war die Frau, die mich vorbereiten sollte, ganz schön überfordert mit mir. Das Zittern ließ sich nunmal nicht abstellen.

Eine Frage, die ich mir diese Woche immer wieder stellen musste, war, warum alle medizinischen Kräfte so überzeugt von ihren Fähigkeit Nadel in eine Vene zu stechen sind. Zugegeben meine Adern sind wirklich schlecht zu finden. Deswegen sage ich immer wieder, dass man bei mir die Pulsadern nehmen muss. Tut zwar erst mehr weh, ist aber besser, als immer und immer wieder gestochen zu werden. Diese ganzen anderthalb Wochen hat nur ein einziger Arzt darauf gehört. Alle haben es erst einmal woanders versucht, was niemals von Erfolg gekrönt war.

Aber wieder zurück zur OP - ich lag also zitternd auf dem Tisch und die Ärztin oder Schwester war komplett überfordert. Nach einer Zeit kam die Oberärztin in die Schleuse. Wirklich eine sehr nette Ärztin, die bei mir schon die Punktion vorgenommen hat und bei meiner Biopsie dabei war. Sie hat eine unglaublich freundliche und beruhigende Art an sich. Wir haben bestimmt noch miteinander gesprochen, aber dann war ich schon weg.

Aufwachräume sind meist nie besonders hübsch. Eher lästig kommen sie daher und wieder die Frage, ob ich klar sehen könnte, dann dürfte ich auch aus diesem Zimmer. Stellen wir fest - ohne Brille sehe ich immer verschwommen und kann da keinen großen Unterschied festmachen. Bei mir geht es immer ganz schnell mit dem Aufwachen - höchstens eine Minute und ich bin vollständig da.

Mit einem Tropf wurde ich dann wieder in mein Zimmer verfrachtet. Meine Mama verabschiedete sich nach einiger Zeit, nachdem sie mir sowohl meinen 3DS als auch meinen Ebook-Reader in das rollbare Schränkchen an meiner Seite gepackt hat. Irgendwie sah ich überhaupt nicht ein, warum ich nun im Krankenhaus bleiben musste. Mir ging es gut, was sich bestätigte, als ich nachdem der Tropf durchgelaufen war, zwar pflichtbewusst nach der Schwester klingelte, dann jedoch alleine aufsprang und auch verlangte, dass ich alleine auf die Toilette dürfte.

Die Langeweile hielt nicht lange an, denn schon bald gesellte sich Besuch in unser kleines Zimmer. Eine weitere ältere Dame wurde operiert und befand sich nun ebenfalls auf dem Zimmer. Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Besuch und ich habe mich auch für die beiden Damen gefreut. Aber über drei Stunden mit einem Geräuschpegel im Raum, der das Gegenteil des Wortes Ruhe ist, war wirklich anstrengend. Zudem traute ich mich auch nicht aus meinem Bett aufzustehen, da ich ein sexy OP-Hemd trug, welches meine komplette Rückseite gekonnt zur Schau stellte.

Ohrstöpsel rein und 3DS an. Zum Glück hatte ich Yo-Kai Watch eingelegt, welches mir wie ein Stück zu Hause in dieser kalten und lauten Fremde schien. Obwohl mein Ernährungsstil etwas speziell ist, gab es für mich ein ausgewogenes Abendbrot mit frischem Gemüse. Doch bereits nach dem Abendbrot machten sich die beiden älteren Damen fertig für die Nacht. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es halb acht war. Komischerweise war ich noch überhaupt nicht müde. Eigentlich wollte man mir zur Nacht noch Schmerzmittel und ein Schlafmittel verpassen, was ich jedoch dankend ablehnte.

Fast jede Nacht durchlebe ich erneut die Umstände die zur posttraumatischen Belastungsstörung geführt haben. Da brauch ich kein Mittel, was mich länger als nötig in diesem Albtraum gefangen hält. Schmerzen hatte ich auch nicht großartig. Während die älteren Damen bereits um die Wette schnarchten, schmiss ich meinen EBook-Reader an und suchte mit Hexer Geralt nach seinen Schwertern.

Nach einer abgehackten Nacht ging es mir am Morgen dann aber doch erstaunlich gut und ich legte den Schwestern die Idee in den Kopf, dass ich doch schon heute entlassen werden könnte. Nach einigem Hin und Her gepaart mit Warten stand die liebe Oberärztin vor meinem Bett. Drainage kann gezogen werden und sie entlässt mich heute noch.

Währenddessen wurde im Laufe des Morgens eine weitere Dame in unser Zimmer gefahren, für die eigentlich in diesem Zimmer kein Platz war und man sie vor den Schränken parken musste. Zum Glück ist diese Frau in unser Zimmer gekommen, denn so etwas Nettes am frühen Morgen vertreibt doch alle Sorgen. Sie wartete auf ihre OP und wir unterhielten uns den ganzen Vormittag. Als meine Drainage gezogen wurde, lenkte sie mich ab, sodass ich davon fast gar nichts mitbekam.

Sobald das blutige Ding aus mir raus war, stand ich wenige Minuten später komplett angezogen und mit gepackten Sachen da. Standartgespräche mit dem sozialen Dienst und der Krankengymnastin und dann schließlich endlich der Entlassungsbrief. Meine Mama packte mich ein und auf in Richtung zu Hause!

Komischerweise sind viele Leute die anderthalb Wochen immer wieder über mich erstaunt. Erstaunt darüber, dass ich so jung bin und schon Krebs habe. Erstaunt darüber, dass ich zwei OPs innerhalb einer Woche mal eben so wegstecke. Zumindest letzteres hat mich die Tage nicht ganz so kalt gelassen. Über 11 Einstiche und zwei Narben, gepaart mit Blutergüssen machen sich doch bemerkbar. Besonders die sinnfreien Einstiche in meine Hand haben die letzten Tage ganz schön viel Kraft gekostet. Ich kann noch nichtmal gut einen Controller halten. So ein Scheiß.

Ein Brief von einer ganz wunderbaren Person war mein persönlicher Lichtblick diese Woche. An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bedanken.

Wiedermal habe ich festgestellt, wie viel Kraft einem Videospiele geben können. Ohne Yo-Kai Watch wäre ich vielleicht ausgerastet im Krankenhaus. Also mache ich das was mir Spaß macht und spiele Games, lese Bücher, Manga und Comics, schaue Serien und Filme und verbringe Zeit mit meiner Familie. Morgen fängt meine Chemo an und ich habe Angst. Angst davor mich die ganze Zeit übergeben zu müssen. Angst davor, dass der Einstich derbe wehtut. Angst vor den ganzen anderen Schauergeschichten.

Aber das wird schon alles werden. Ich erzähle euch dann in einer Woche wie es gelaufen ist. Bis dahin haltet die Ohren steif. :)